Schlachtprozess: Ochse Oswald, 2,5 Jahre

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Nachdem ich nun den Text geschrieben habe, ein paar Worte vorneweg. Schlachten ist für uns einfach keine sachliche Arbeit, auch wenn Tiere laut deutscher Gesetzgebung Sachobjekte sind. Es gibt sicherlich Dinge, die wir Lieber tun, aber es ist Teil der Jobbeschreibung. Beim Schreiben ist mir jedoch klar geworden, dass ein einfaches Schildern der Arbeitsabläufe allein wohl wenig Verständnis- & Informationsgewinn bedeutet, daher ein ehrlicher Text, der die Gedankengänge hinter den Handlungen beinhaltet.

Wo fängt man an?

Kurze Frage an mich selbst: Wann geht der Schlachtprozess eigentlich los? Bei der „Anlieferung“ im Schlachthaus? Am Schlachttag? In den Tagen davor, wo ich das Weidegehege aufgebaut habe? In den letzten Wochen, in denen ich noch einmal versucht habe, intensiver Kontakt mit dem Oswald zu haben, damit er mich als Ruhepol bestmöglich wahrnimmt? Irgendwie beginnt es dann doch aber schon mit der gesamten Art der Tierhaltung, denn ein paar Wochen können im Guten wie im Schlechten nicht ausgleichen, was Oswald in den 2,5 Lebensjahren bei uns für Erfahrungen mit Menschen, vor allem mit mir, gemacht hat.

Schlachttier „Einfangen“

Nun gut. Gegen 14:30 kam der Züchterkollege Jürgen Martin zu mir mit seinem Transporter und wir sind gemeinsam zur Weide gefahren. An der Weide angekommen ist uns die Herde schon entgegengesprungen. Bis wir den Anhänger positioniert hatten, waren auch schon alle da. Ich habe einen Leckstein (der die Rinder mit Mineralstoffen und Vitaminen versorgt, die in unseren Böden mangelhaft vorkommen) in die Mitte des Weidegeheges gelegt und die Tore geöffnet.

Kurz darauf konnte ich sie wieder schließen, da der Oswald mit einigen anderen Rindern bereits im Gehege war. Nun galt es den Oswald zu separieren. Sprich ihn in den – innerhalb des Geheges gebauten Gang, der direkt zum Anhänger führte – zu leiten. Das ging auch ziemlich einfach. Anschließend habe ich alle anderen Tiere aus dem Gehege getrieben, um dies als „Gefängnis“ für Oswald in der Hinterhand zu haben. Dabei sollte man allerdings wissen, dass ein Weidegehege im Ernstfall kein Hindernis für einen Ochsen seiner Größe darstellen würde.

Oswald Verladen

Aber zurück zum Gang, in dem sich unser separierter Oswald befand. Die ersten Schritte Richtung Anhänger waren auch kein Problem, doch einen Meter vor der Rampe blieb er stehen und wollte absolut nicht weiter. Zwar war die gesamte Herde noch in unmittelbarer Nähe, stand ja zum Teil einfach nur auf der anderen Seite des Metalls-Zauns, doch es war ihm klar, dass etwas nicht stimmte. Schließlich wurde Oswald in seinem Leben nur einmal separiert, als er kastriert wurde. Ansonsten war er immer Teil der Herde und nie getrennt von den anderen Herdenmitgliedern (was in der „hochspezialisierten“ Tierhaltung, in Betriebe entweder Kälber produzieren, aufziehen oder Mästen ) eine völlige Ausnahme ist).

Wie nun also weiter verfahren? Mit den Armen wedeln? Anbrüllen? Schubsen? Schlagen? Lerckerlies? Letzteres Natürlich! Ein trockenes Stück Brot oder Brötchen habe ich in solchen Momenten immer dabei 😉 Erfolg in dem Fall allerdings gleich Null. Und nun? Mit den Armen wedeln? Anbrüllen? Schubsen? Schlagen? Natürlich nicht. Denn abgesehen davon, dass ich einem Tier kein sinnloses Leid antun möchte, würde der Oswald nur noch nervöser werden und am Ende völlig durchdrehen, das Gehege niederreißen, davonrennen und im schlimmsten Fall mich oder den Jürgen verletzen.

Problemlösung á la Arche-Hof

Anstatt nun von der Seite des Bauern auszugehen, Mal die Überlegung: was ist das Bedürfnis des Tieres? In dem Fall, das Nicht-Separiert -Sein von der Herde. Dem kann man Abhilfe schaffen, indem man ein weiteres Tier zu ihm lässt, also auf seine Seite des Zauns. Welches Tier wählt man aus? Ich habe mich für die gut einjährige Oktavia entschieden, seine kleine Schwester. Denn die ist ein direktes Familienmitglied, von der Größe leicht zu lenken (im Vergleich zu einer ausgewachsenen Kuh), und außerdem sehr zutraulich, da ich sie die ersten Tage mit der Flasche gefüttert habe. Zudem ist der Platz im Anhänger und im Laufgang begrenzt und man will ja auch nicht zwischen den Tieren (auch wenn sie friedlich sind) eingequetscht werden – also Oktavia als die perfekte Wahl.

Und tatsächlich, neben der Oktavia ist der Oswald ruhig die Rampe in den Anhänger hochgelaufen. Oktavia schnell raus und Klappe zu. Den jetzt entstehenden Stress des erneuten Separiert-Sein konnte ich Oswald und kann ich unseren Rindern bei der Schlachtung nicht ersparen. Es sei denn, dass wir zukünftig einfach noch mehr Kund*innen hätten, dass wir zwei Tiere gleichzeitig schlachten könnten. Häufig werde ich auf die Variante des Weideschusses angesprochen, die natürlich das Optimum ist, für uns aber aus finanzieller Perspektive völlig utopisch ist.

Ort des Schlachtens

Die Fahrt nach Wächtersbach hat gut eine Stunde gedauert. Gerne hätten wir einen näheren Standtort gehabt, aber woher nehmen, wenn nicht stehlen? Dort angekommen musste der Oswald in einen Treibwagen laufen, der dann vom Eigentümer des Schlachtraumes noch gut 50m gefahren wurde. Ich stand auf dem Treibwagen und habe versucht den Oswald bestmöglich zu beruhigen, der sich natürlich unwohl gefühlt hat und nervös war. Das Laufen in einem Treibwagen war er gewohnt, denn er hat den Weg von der Winterweide zur Sommerweide zwei Mal hin und zwei Mal zurück im Treibwagen gemacht.  Jedoch war die Situation an sich neu: Das Alleine-Sein, umgeben von mehreren fremden Menschen (Jürgen, Eigentümer Schlachthaus und unser Metzgermeister). Er war nervös auf niedrigem Niveau, er war in keiner Weise wild oder hat angefangen zu brüllen oder sogar im Gehege zu randalieren. Ich habe ihn gestreichelt und auf ihn eingeredet, zack betäubt und aus.

Wir haben die „lange“ Fahrt gemacht (man beachte, dass Tiere durch ganz Europa gefahren werden, weil im Osten irgendwo noch günstiger geschlachtet wird!), da an diesem Tag nur unser Ochse geschlachtet wurde, er keine Wartezeit hatte (in der er umgeben von anderen nervösen Tieren wartet), er keiner Belastung ausgesetzt war, durch Zeitdruck oder Abgestumpftheit fremder Menschen die ihn (wortwörtlich) zur Schlachtbank führen. Betäubung und Tötung wurden vom Metzgermeister Marcel Heil aus Heubach durchgeführt, der anschließend auch den Schlachtkörper zerlegt hat.

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