Presse: Arche-Hof & meinekleinefarm.org
Bauer Andreas und Iryna Böhm vom Arche-Hof Kerzell in Hessen
Arche-Hof: Einsatz für den Erhalt genetischer Vielfalt & zukunftsorientierte Pionierarbeit
Es geht um mehr als um ein paar Hühner, Schweine, Rinder und Gänse. Auf dem Arche-Hof Kerzell lernen Menschen, wie nachhaltige & zukunftsorientierte Landwirtschaft funktioniert. Und wofür es sich lohnt, alte Nutztierrassen zu erhalten. Denn etwa alle zwei Wochen stirbt laut der Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen e.V. (GEH) eine Nutztierrasse aus! Damit geht Vielfalt verloren – und ein kostbarer Genpool! Denn die alten Tierrassen hatten viel Zeit, sich optimal an Klima und Standort anzupassen. Was bleibt sind nur noch sehr wenige Hochleistungsrassen, die durch die Zucht auf eine Spezialisierung wie Milch- oder Fleischertrag viel von ihrer ehemaligen Robustheit und Anspruchslosigkeit eingebüßt haben.
Um diesem Artensterben und der sich immer mehr von ökologischen Kreisläufen und Tierbedürfnissen entfernenden Landwirtschaft etwas entgegenzusetzten, haben Andreas und Iryna Böhm den Arche-Hof Kerzell in der Nähe von Fulda gegründet. Nach dreijähriger Planung sind sie 2018 mit ihrem Arche-Hof-Projekt gestartet. Dabei geht es dem engagierten Paar auch um die Anerkennung der sozialen Intelligenz der Nutztiere und ihrer arteigenen Bedürfnisse sowie die sozialen und ökologischen Folgen durch Landwirtschaft und Konsum.
Die Familie Böhm will mit ihrem Projekt zeigen, was in der Landwirtschaft alles möglich ist, wenn man nur will. So haben die Böhms als erste in der Region Fulda eine Freilandschweinezucht, eine Ebermast, 10.000 Quadratmeter Blühfläche und dazu eine wesensgemäße Imkerei angelegt. Sie ziehen Bruderhähne groß, setzen auf die natürliche Reproduktion und insbesondere Aufzucht im Familienverbund.
Foto von Böhm: Die Blühfläche in voller Pracht mit BienenbeutenEntgegen den postulierten Vorteilen spezialisierter Arbeitsteilung vertreten sie den Standpunkt: „Tiere sind keine Gegenstände, die man wie Autos am Fließband in verschiedenen Arbeitsschritten abhandeln kann, sondern intelligente Lebewesen die soziale Strukturen brauchen.“ Als Beispiel führen sie die übliche Prozesskette in der Schweinehaltung an. Normalerweise gibt es einen Ferkelerzeuger, dann einen Landwirt, der die Ferkel bis zum Absetzgewicht bis etwa 25 Kilogramm aufzieht und dann einen Mäster, der die Tiere ab rund 50 Kilogramm noch einmal in Leistungsgruppen unterteilt. „Bei jeder neuen Aufteilung müssen neue soziale Hierarchien gefunden werden, dass bedeutet echten Stress für die Tiere“ gibt Böhm zu bedenken. Auf dem Arche-Hof Kerzell dagegen finden die Ferkel in den ersten Stunden an den Zitzen der Muttersau ihre Randordnung und fertig.
„Wir geben den Tieren Platz, Strukturelemente, gute Mensch-Tier-Beziehung und erstklassiges Futter“ führt Andreas aus. Und das macht sich bemerkbar: der gute Zuwachs und der hervorragende Gesundheitszustand der Tiere sprechen für sich.
Das Leben auf dem Bauernhof ist für Andreas nichts Neues. Auf dem elterlichen Milchvieh-Hof in Kerzell hat er schon als Kind viel über Landwirtschaft gelernt. Mittlerweile ist Andreas überzeugt, dass nur eine nachhaltige und ökologische Landwirtschaft die Grundlage unseres gesellschaftlichen Lebens sein kann. Auf dem Arche-Hof werden die Tiere übrigens nicht klassich in typischen Stallgebäuden gehalten, sie sind im Freien auf der Weide und in mobilen Ställen untergebracht.
Viel Herzblut und Leidenschaft stecken Andreas und Iryna in den Hof und seine Bewohner. Denn mit der Aufzucht im Familienverband übernimmt das Ehepaar die Arbeit von ansonsten über zehn verschiedenen landwirtschaftlichen Spezialisten. Dabei ist es für das Paar selbstverständlich, ihre Tiere so artgerecht wie möglich zu halten. Für Andreas und Iryna bedeutet ihr Hofprojekt Freude und Spaß daran, das „Richtige“ zu tun. Als Beispiel führen die beiden an, „haben unsere beiden Zuchtsauen Eva und Caro sogar wiederholt- entgegen gängiger Lehre – in derselben Nacht und Hütte abgeferkelt und sich die Aufzucht des Nachwuchses gemeinsam geteilt“.
Foto von Böhm: Iryna auf mit einem Bunten Bentheimer Schwein
Die Schweinebande vom Arche-Hof Kerzell: Buntes Bentheimer & Mangalitza
Die alten Haustierrassen sind robust und gut an den Standort angepasst. Sie benötigen weniger medizinische Pflege, sind anspruchslos was ihr Futter angeht und wetterfest. Dennoch sind sie heutzutage wirtschaftlich einfach uninteressant. Sie wachsen zu langsam, sind nicht für enge Ställe mit automatisierten Abläufen geeignet oder treffen nicht mehr den Geschmack.
Das gilt auch für das Mangalitza: die blonden Wollschweine sind wohl die älteste erhaltene Schweinerasse Europas. Optisch sieht es aus wie eine Mischung aus Schwein und Schaf. Andreas und Iryna haben reinrassige Mangalitzas. Damit gehören sie zu den nur etwa zehn Züchtern in Deutschland, die die Tiere ohne Einkreuzung halten.
Das Bunte Bentheimer Schwein ist für seine Robustheit bekannt und hat tolle Muttereigenschaften. Und vielleicht sind die frühferkelschen Erfahrungen diese gefleckten, quirligen Schweine dafür verantwortlich, dass sie so stressresistent werden.
Es gibt verschiedene Arten von Reichtum
Ein Arche-Hof ist eine Zuchtstätte für alte und gefährdete Nutztierrassen. Dabei wird genaustens darauf geachtet, dass die Zuchtlinien reinrassig bleiben. Dazu gehört aber auch eine artgerechte Haltung und Fütterung. Es gibt einige Bestimmungen, um ein Arche-Hof zu werden. Dabei kümmern sich Andreas und Iryna nicht nur um den Erhalt ihrer gefährdeten alten Nutztierrassen, sie wollen auch Interessierten die ökologische Landwirtschaft als wichtige Grundlage für ein vorbildliches System des Lebensmittelanbaus näher bringen. So veranstalten sie regelmäßige Seminare, Vorträge zum Austauschen. Kitagruppen und Schulklassen führen sie regelmäßig über ihren Hof. (Natürlich auch ältere, interessierte Menschen) Wer sich also mal zeigen lassen möchte, wie nachhaltige Landwirtschaft und Viehzucht funktioniert ist hier herzlich willkommen. Ab Sommer 2020 kann man zudem in selbstgebauten romantischen Wagen direkt bei den Tieren am Hof Übernachten.
Wirtschaftlich gesehen bringt so ein Arche-Hof keinen Reichtum. Viele Züchterkollegen der alten Rassen haben ihnen von dem Konzept abgeraten. „Alle sagten: Das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht und hat´s einfach gemacht“ zitiert Böhm selbstbewusst. Und schauen wir auf den Artenreichtum, so stellt dieser kleine, feine Hof so manch anderen Betriebe ganz schnell in den Schatten. Dabei ist der gesellschaftliche Wert – der Erhalt wertvoller, genetischer Vielfalt – enorm wichtig. Und genau diese Art des Reichtums nähren Andreas und Iryna tagtäglich auf ihrem Arche-Hof in Kerzell!
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